Gendern: gute Idee, schlechte Umsetzung

Die vergangenen Tage habe ich mich ein wenig mit dem Thema „Gendern“ beschäftigt. Das Thema geht quer durch die Republik und jeder und jede hat eine Meinung dazu. Das führt natürlich zu Reibereien und hitzigen Diskussionen, so wie auch in der Sendung „Reizthema Gendern: Sprache, die aufregt“ im ZDF:

Reizthema Gendern: Sprache, die aufregt im ZDF

Die Sendung bringt zwei unterschiedliche Meinungen zusammen und versucht Argumente beider Seiten gegeneinander zu stellen. Da ist auf der einen Seite Teresa, die das Gendern aktiv propagiert, es in den gesellschaftlichen Mittelpunkt stellen will indem etwa Kinder im Kindergarten/Schule anfangen sollen zu gendern und Aufsätze/Hausarbeiten schlechter bewertet werden sollen wenn sie nicht gendern. Auf der anderen Seite ist Torben, der der Meinung ist dass Sprache nicht zwanghaft verändert werden kann, der Großteil der Gesellschaft das Gendern nicht unterstützt und dass eine Gleichung á la „kein Gendern = Rassismus“ nicht richtig ist.

wichtig: meine Meinung zu der Umsetzung des Themas bedeutet nicht, dass ich gegen Inklusion bin. Jeder und jede ist auf meinem Blog herzlich Willkommen.

Und ich muss sagen: so sehr ich mich als progressiver Mensch sehe und Inklusion aller (benachteiligter) Gruppen befürworte bzw. mich dafür einsetze und gegen Rassismus und Nationalismus jeglicher Art bin: die Argumente Torbens sind für mich nachvollziehbarer. Teresa bringt gute und wichtige Argumente, wie etwa dass die Sprache von Männern geformt und sie dadurch stark maskulin ist. Ich finde aber ihre Forderungen, man müsse Kindern beibringen zu gendern oder Hausarbeiten für das nicht-gendern bestrafen, schlichtweg falsch.

Veränderung kommt nicht durch Zwang

Ganz abstrakt gesagt kann man sagen: Veränderung lässt sich nicht durch Zwang, schon gar nicht durch eine andere Wortwahl erwirken. Gesellschaftliche Probleme ebenfalls nicht.

Das Problem bei gesellschaftlichen Problem ist, dass sie einfach jeden betrifft. Jeder und jede muss zumindest die angestrebte Veränderung nachvollziehen, verstehen und aktiv umsetzen. Doch die Mehrheit in Deutschland lehnt laut einer Umfrage das Gendern eher ab. Durch Zwang und Benachteiligung für jene, die das Gendern ablehnen, führt es aller Erfahrung nach nur zu noch mehr Ablehnung.

Das nennt sich Reaktanz und ist etwa bei den Corona-Protesten zu sehen: Menschen fühlen sich in ihrer Freiheit irgendetwas zu tun (z.B. gesprochene/geschriebene Sprache) und tun es zum Trotz.

Warum ist die Umsetzung schlecht?

Ich will nochmals betonen: ich finde die Idee hinter dem Gendern – die Inklusion aller gesellschaftlichen Gruppen – hervorragend und ein bestrebenswertes Ziel. Ich finde allerdings die vorgeschlagene Lösung und deren Umsetzung schlichtweg falsch.

Nehmen wir doch einfach Mal das Beispiel aus dem Video: Bürgermeisterkandidat. Wie wird der Begriff am besten ge-gendert? Bürger*inmeister*inkandidat*in? Bürgerinmeister*inkandidat*in oder einfach Bürgerinmeisterinkandidat*in?

Dieses Beispiel ist auch nicht einfach ein überspitztes denn die deutsche Sprache lässt die Aneinanderkettung von Worten zu (siehe z.B. Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz). Wenn das Konstrukt die Regel ist, kann man nicht einfach sagen: dann nehmen wir halt einfach ein anderes, neutrales Wort. Das würde ja bedeuten man müsse für alle existierenden und potenziell zu schaffenden Wörter etwas neues finden (wobei es bei dem letzteren Wohl einfacher ist).

Ein anderes Beispiel mit dem Genderstern: das war die Meinung des*der Reporters*in

Dieser Satz lässt sich nicht lesen und führt zu Verwirrungen. Man muss sich für des und der bzw. Reporters und Reporterin die jeweils männliche und weibliche Form vorstellen. Das macht kein Kopf mit. Auch Lehrer*innen finde ich problematisch, denn das Wort innen kann dem Wort Lehrer durchaus folgen: Die Schüler stehen außen, die Lehrer innen.

Besser fände ich, man nehme die neutralisierende Form, z.B. für Lehrer/Lehrerin das Wort Lehrkraft oder Mitarbeiter/Mitarbeiterin Mitarbeitende. Die neutrale Form hat den Vorteil, dass sie wirklich alles inkludiert: Männer, Frauen, nicht-binäre Menschen usw.

Was kann man tun? und wie sollte man es tun?

Wie bereits gesagt lässt sich Sprache durch Zwang nicht ändern. Probleme werden dadurch auch nicht gelöst. Keine gendergerechte Sprache wird etwa das jahrzehntealte Problem, dass Frauen für gleiche Arbeit weniger Geld bekommen, lösen. Ebenso wird man – wie von Teresa vorgeschlagen – durch Bestrafung nicht für Überzeugung sorgen. Ohnehin finde ich, dass sie das Problem stark aus subjektiver und emotionaler Sicht darstellt, über persönliche Benachteiligung und Gefühle (das Gefühl des nicht-angesprochen-seins) spricht und von Sachen ausgeht – dass Menschen die nicht gendern automatisch diskrimieren -, die von seinem Gegenüber eindeutig verneint werden als dass sie eine Lösung vorschlägt, von der der Großteil unserer Gesellschaft überzeugt ist.

Ich für meinen Teil werde versuchen eine inklusive Sprache zu nutzen, die lesbar ist und nicht verwirrt. Hierfür eignet sich die Neutralisierung des Wortes oder halt einfach die Umschreibung. Darüber hinaus müssen wir die Debatte abwarten, denn Sprache wird sich weiterentwickeln und nicht-passende Lösungen werden entweder verschwinden oder durch bessere Vorschläge ersetzt.

Wichtig ist mir auch zu betonen, dass mir die Neutralisierung und Umschreibung wohl nicht in jedem Satz gelingen wird. Das liegt schlicht an der Macht der Gewohnheit. Ich bitte dies zu entschuldigen und möchte nochmals unterstreichen, dass ich jeden und jede mit meinen Inhalten ansprechen möchte, egal welchen Geschlechts, Herkunft, Alter, etc.

Für alle, die ein wenig mehr darüber lesen wollen:

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/grosse-mehrheit-laut-umfrage-gegen-gendersprache-17355174.html

https://www.genderleicht.de/Textlabor/genderstern-grammatik/

https://www.quarks.de/gesellschaft/psychologie/was-gendern-bringt-und-was-nicht/

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